Würdet ihr dem Bundeskanzler einen Brief schreiben? Ich gestehe, auf eine derartige Idee bin ich bisher noch nicht gekommen. Da ich schon einiges über die Obamas gelesen habe, hat mich das Buch Briefe an Obama sehr angesprochen und ich freue mich, dass ich es vom Goldmann Verlag zum Lesen erhalten habe. Denn es ist eine ausgesprochen faszinierende Sache. Aber der Reihe nach.
Briefe an Obama- wie es dazu kam
Mit dem Amtsantritt 2008 hat wohl kaum ein Präsident ein Land so polarisiert und zeitgleich mitgerissen, wie es Barack Obama tat. Ziemlich früh entschied der 44. Präsident, dass er den Kontakt zu seinem Volk behalten wolle. Das ging natürlich nur, wenn er sie auch direkt ‚hörte‘. Jeden Tag gingen 10 Tausende Briefe im Weißen Haus ein und Barack Obama machte es sich zur Maxime, jeden Tag 10 davon zu lesen. Einige von ihnen beantwortete er ganz persönlich, jeder wurde jedoch beantwortet.
Die Briefe bildeten einen Querschnitt der Nation, vom politischen Gegner, über Kinder, Veteranen und Fans war alles dabei. Die Briefe begannen in einer äußerst schwierigen Zeit der USA, denn der Beginn der Amtszeit Barack Obamas war ja alles andere als ein amerikanischer Traum: Finanzkrise, IS, Kriege, Gesundheitsreform, Widerstand durch den politischen Gegner, Rassismus.
Es wurde eine extra eine Leseabteilung eingerichtet, viele Personen waren damit beschäftigt, die Briefe zu lesen, in unterschiedliche Kategorien zu sortieren und zu entscheiden, welche dieser vielen Briefe es am Ende in die Mappe der 10 LADs schaffen.
Was sind denn 10 LADs?
10 LADs ist eine schlichte Abkürzung für 10 Letters a Day, also 10 Briefe am Tag.
Während seiner gesamten Amtszeit las der Präsident in der Tat jeden Tag 10 der Briefe an Obama. Viele von ihnen beantwortete er zudem persönlich und handschriftlich, andere versah er mit Anmerkungen, die eine eigens dafür Angestellte in seiner Sprache beantwortete. Dann gab es noch ‚Notfallbriefe‘, die direkt bearbeitet wurden, weil die Gefahr einer gefährlichen Handlung bestand.
Briefe an Obama- zeigt Briefe und Hintergründe
In Briefe an Obama werden einzelne Briefe in bestimmten Zeitabschnitten gezeigt und auch die Antworten des Präsidenten. Zugleich wird auch die Literaturabteilung näher vorgestellt, es wird erklärt, welche Briefe es bis zu ihm schaffen und welche eben nicht. Die Arbeitsweise der Abteilung wird gezeigt, wie sie zusammenrückten, für diese Aufgabe lebten.
Die Autorin Jeanne Marie Laskas, die für die New York Times arbeitet, stellt sehr sensibel die Briefe zusammen, spricht mit den Schreibern, den Angestellten und auch mit dem Präsidenten. Teilweise wird auch noch beschrieben, was ’nach‘ den Briefen passierte.
Die Gedanken einer Nation
Die Briefe beleuchten in vielfältiger Weise die Gedanken einer Nation zu verschiedensten politischen Themen, sie wenden sich an Obama als Präsidenten und Mensch. Sie erteilen ihm Ratschläge, loben und kritisieren ihn.
Ich gestehe, ich habe noch nie darüber nachgedacht, einem Bundeskanzler oder Kanzlerin zu schreiben. Obwohl ich gerne mal mit Angela Merkel zu Abend gegessen hätte;). Mich hat allerdings beeindruckt, wie sehr sich die Menschen öffnen, obwohl bei vielen der erste Satz im Brief ist, dass sie nicht glauben, dass der Präsident ihre Worte jemals liest..
Umso überraschter dürften sie gewesen sein, wenn sie eine tatsächlich persönliche Antwort bekommen haben.
Wertschätzung per Brief
Was mir besonders an den Briefen gefallen hat, ist nicht nur die Mühe, die die Menschen sich gegeben haben. Es ist vielmehr, dass es so ganz anders ist, als wenn man Kommentare in Social Media, die ja oft eher negativ sind, sieht und liest. Dass auch politische Gegner über ihren Schatten springen und trotz aller Gegensätze etwas Positives in ihren Briefen äußern. Die Kritik, die sie äußern, wird anders verpackt.
Das heißt natürlich und wahrscheinlich nicht, dass es keine solcher Briefe gegeben hat.
Zeitgleich sieht man aber auch die wertschätzende, menschliche Seite des Präsidenten. Einige Briefe hat er länger mit sich getragen, um eine wirklich passende Antwort geben zu können. Einige hat er sich zur Mahnung oder Ermutigung aufgehängt.
Diese Wertschätzung übertrug sich auf die Menschen in seinem Umfeld. Die Briefe bewegten auch bei den Lesern dieser Briefe eine Menge.
Briefe an Obama- Leseglück und Empfehlung
Briefe an Obama ist ein besonderes Buch- denn es offenbart Respekt. Respekt der Briefeschreiber, derer, die sie lesen und ja, auch des Präsidenten an seine Nation. Ich fand es gerade in einer Zeit, die ja nicht von Ruhe geprägt ist, eine prägende Erfahrung, es zu lesen. Wir erfahren viel über die USA, was die Menschen antreibt, was sie bewegt. Sehr ungeschönt, aber eben sehr persönlich, denn in einem Brief muss man ja zwangsläufig Farbe bekennen.
Außerdem gefiel mir die Motivation des Präsidenten, zu sehen, was seine Nation denkt. Über ihn und auch über die politische Arbeit. Auch wie er im Rückblick auf seine Amtszeit darauf schaut.
Seine Mitarbeiter wollten übrigens die Mitarbeiter von Donald Trump in diese Vorgehensweise einführen und ihr (gegenüber der Regierung Bush) stark ausgeweitetes Archiv übergeben. Keiner hat sich bei Ihnen gemeldet.
Keine gewöhnliche, aber eine besondere Lektüre
Mich hat das Buch gefangen genommen und berührt. Die Gedanken dieser Menschen zu lesen, was sie antreibt, das war sehr besonders.
Das Buch ist also alles andere als ein gewöhnliches Buch. Aber ihr bekommt dafür meine volle Leseempfehlung.
Wäre das auch etwas, was euch faszinieren würde? Wie findet ihr die Idee? Würdet ihr eurer Regierung schreiben?
Give your life a glow,
Eure Nicole
Ich danke dem Goldmann-Verlag für das mir zur Verfügung gestellte Rezensionsexemplar.
Bibliographische Angaben: 544 Seiten, gebunden oder als Taschenbuch.
Ihr bekommt das Buch über die üblichen Kanäle, am besten wie immer über die örtlichen Buchhändler.
Ich bin begeistert. Ein Präsident, der persönlich die Briefe beantwortet. Über die politische Arbeit von Barak Obama, da kann ich mir kein Urteil erlauben, aber als Mensch finde ich ihn sehr sympatisch und offen. Wenn mich jemand fragen würde, welchen berühmten Menschen ich mal treffen möchte, dann wäre es Barak Obama. Ich habe seine Biografie gelesen und auch die von seiner Frau. Du ahnst es sicher, ;) auch dieses Buch kommt auf meine Liste. Ein ganz dickes DANKE.
Liebe Grüße
Gudrun
Ich habe sie auch beide gelesen, liebe Gudrun. Und ich erwarte schon Teil 2. Ich glaube, er hat schn einiges Gutes geschafft, war aber auch häufig ausgebremst durch den politischen Mitbewerber.
Ich finde auch, dass das sehr viel über ihn aussagt. Mir gefällt das.
Das Buch wird dir gefallen, dessen bin ich sicher.
Liebe Grüße
Nicole
Sehr interessant! Ich würde höchstwahrscheinlich keine Briefe an einem Oberhaupt schreiben, sie wären größtenteils kritikvoll. Obwohl, tauschen möchte ich da auch mit keinen. Liebe Grüße!
Ja, liebe Mira, genau das ist der Punkt und die Besonderheit dieses Buches: Dass hier alles dabei ist.
Und ich glaube, viele Kritiker stellen sich vieles auch zu einfach vor.
Einen schönen Sonntag und liebe Grüße
Nicole
Das ist bestimmt ganz toll geschrieben. Ich mag solche Art Bücher!
Liebe Grüße!
Ja, es ist total gut gemacht. Und super lebendig.
Liebe Grüße
Nicole
Jetzt musste ich echt grinsen. Die Briefe an Obama jubel ich immer gerne meinen Students unter. Weil sie oft sehr „normal“ geschrieben sind und ideal eignen, um englische Grammatik zu wiederholen. Hehe.
Ich würde ja für mein Leben gerne die Queen treffen. Weil das nun bestimmt nicht mehr eintreffen wird, mache ich mir ihr Motto gerne zu eigen: This too shall pass.
Liebe Grüße und ein schönes Wochenende wünscht dir deine Sssss
Jetzt muss ich grinsen. Wie cool ist das.
Stimmt, die Queen wäre auch ein Highlight.
Und dann? Charles oder Camilla?
Liebste Grüße
Nicole
Mal ein ganz anderes Buch, ein klasse Tipp liebe Nicole. Und würde ich einem Staatsoberhaupt schreiben? Wenn ich es für wichtig befinden würde, mit Sicherheit. Und ehrlich gesagt, wäre ich enttäuscht, wenn ich keine Antwort bekäme. Wen sollte ich sonst ansprechen, wenn ich ein Anliegen, Lob oder Tadel habe, das die politische Seite des Landes betrifft? Dass die Antwort nicht unbedingt persönlich kommt, sondern von einem Team, o.k. Aber ich bin, ehrlich gesagt, davon ausgegangen, dass jeder Politiker, Schauspieler, Influencer, CEO usw. so ein Team hat. Also bei 20.000 Followern mache ich das nicht mehr selbst 😉
Liebe Grüße und jetzt schon ein schönes Wochenende
Sigi
Mit Sicherheit gibt es solche Teams. Das besondere hier ist eben, dass er in der Tat PERSÖNLICH gelesen UND geantwortet hat. Zumindest ausgewählt. Da fand ich toll.
Liebe Grüße und ein Drückerle
Nicole
Ich wusste das nicht mit den Briefen und finde es eine sehr feine Herangehensweise und Umgangsweise von Obama damit, und es passt auch zu ihm und seinem Regierungsstil. Briefe sind ja etwas sehr Persönliches und es zeugt doch von Vertrauen, wenn ihm soviel geschrieben wurde. Auch die negativen Briefe sind für mich dabei eingeschlossen.
Früher sind Politiker manchmal inkognito unters Volk gegangen, damit sie seine Stimme hören.
Das mit den Briefen ist viel besser.
Ich habe noch nie eine/r Politiker/in geschrieben. Warum eigentlich nicht?
Annalena Baerbock könnte ich mir gut vorstellen dafür. Sie bekäme von mir Anerkennendes zu lesen…
Schön, dass Du dieses Buch vorgestellt hast, liebe Nicole. Klingt sehr lesenwert!
Herzlich, Sieglinde
Ich wusste das bis zu diesem Buch auch nicht, liebe Sieglinde… Aber jetzt empfinde ich es als eine umso schönere und wertschätzende Geste.
Ja, das ist auch nicht schlecht, sich unters Volk zu begeben…
Dann bleibt man verbunden.
Alles Liebe
Nicole
Liebe Nicole,
deine Buchbesprechung fasziniert mich gerade total!
Besonders in der momentanen Kriegssituation, die wir mitansehen müssen, macht man sich doch viele Gedanken um Werte, Wünsche, Ziele, Verantwortung…die eigenen und die der Politiker. Und da ist es schon bemerkenswert zu lesen, welche Gedanken sich ein Staatsoberhaupt macht und wie er manches davon umsetzt.
Ich danke dir für diesen Einblick!
Liebste Grüße
Heike
Liebe Heike,
ich fand es von beiden Seiten sehr beeindruckend- seine Haltung, die Freude der Menschen, wenn er ihnen geantwortet hat- teilweise hängen sie die Briefe auf..
Also in der Tat- ein feines Buch
Liebste Grüße an dich
Nicole
Danke für die Vorstellung. Die Idee hinter den 10 Briefen finde ich großartig. Das Buch erscheint mir absolut lesenswert.
Frau Merkel war bei mir auch immer auf der gedanklichen Liste mit Menschen, mit denen ich mich gerne mal unterhalten würde.
Herrn Scholz habe ich zumindest schon live in einem überschaubaren Rahmen in der Hamburger Handelskammer gesehen. Sein Auftreten war erstaunlich humorvoll, nicht so sachlich-distanziert, wie er sonst oft wirkt.
Ich würde wohl einem Politiker eher schreiben, wenn ich unzufrieden wäre, als wenn ich zufrieden wäre. Wobei das natürlich unfair ist.
Einen sonnigen Dienstag wünscht Dir
Ines
Liebe Ines,
Genau das ist der Punkt: Viele würden bei Unzufriedenheit schreiben. In diesem Buch gibt es diese Briefe auch. Aber eben auch die, die dankbar waren für Entscheidungen. Bei denen sich das Leben verbessert hat. Das waren manchmal nur Kleinigkeiten, aber sie wollten es ihm mitteilen. Oder eben auch Republikaner, die ihm schrieben, dass sie seine Politik nicht teilen, aber ihn als Typ gut finden.
Mir hat das Spektrum sehr gefallen..
Witzig, dass du auch gern mal mit Frau Merkel geplaudert hättest.
Liebe und sonnige Grüße
Nicole
Jetzt habe ich das Buch gelesen und kann Deine Leseempfehlung nur unterschreiben. Besonders das breite Spektrum der Briefschreiber hat mich gefangen genommen. Unfassbar, was die Lektüreabteilung da für Arbeitsberge bewältigt hat mit dem Lesen und Filtern der Briefe, bis sie jeden Tag über so viele Jahre auf zehn reduziert waren. Immerhin sind sie alle archiviert, wenn sie sich Folgeregierung schon nicht für den Arbeitszweig interessiert hat. Enorm finde ich, wie jung die wichtigsten Mitarbeiter_innen dabei waren.
Danke für das Lesevergnügen!
Ich freue mich gerade sehr, dass du auch so begeistert bist. Denn all deine Begeisterungsgründe waren auch die meinen..
Schön, dass du das Buch auch so geschätzt hast.
Liebe Grüße
Nicole