Über Menschen- mein erstes Zeh-Buch

Wahrscheinlich geht es euch wie mir: Irgendwo (oder überall?) seht ihr die Bücher von Juli Zeh. Über Menschen war in den Bestseller Listen, ich las darüber, so richtig Klick gemacht hat es aber nicht. Dann äußerte ein Mitbewohner, dass er das Buch sehr gerne lesen wollte, um ‚Mal etwas anderes als Sachbuch oder Thriller zu lesen‘. Da solche Wünsche immer sofort auf meiner Ideenliste landen, zog das Buch hier ein.

Über Menschen gibt es viel zu studieren

Er hat es also zuerst gelesen, danach kam meine obligatorische Frage, ob das was für mich ist. Die Antwort gebe ich euch in diesem Beitrag.

Zu allererst mochte ich das cleane Design des Buches Über Menschen*. Neugierig begann ich also nach dem äußerst fesselnden Etage 13 dieses wohl seichtere Buch. Wie würde es mir gefallen?

Über Menschen- die Geschichte

Dora ist die Tochter eines erfolgreichen Chirurgen und arbeitet in einer Werbeagentur. Sie hat das Gefühl, dass ihr Freund zunehmend durchdreht und somit ihr Leben aus den Fugen gerät: Fridays for Future, Angst vor der Zukunft, immer gehetzt, jetzt Corona. Wo ist er hin, dieser Mann, mit dem sie ganze Abende auf dem Balkon saß, Wein trank und über das Leben philosophierte? Was weiß sie wirklich über diesen Menschen, war er immer so?

Dazu kommt die Furcht der Welt auf den wohl mächtigsten Mann der freien Welt, ein Lockdown, angespannte Kreativität. Sie ist sich in ihrer Welt unsicher und nimmt allen Mut zusammen, um in der brandenburgischen Provinz ein altes und sehr renovierungsbedürftiges Haus zu kaufen. Still und heimlich macht sie sich aus dem Staub. Das zwanghaft verordnetet Home-Office lässt ihr zunächst den nötigen Freiraum und verschafft ihr die finanzielle Freiheit, das Vorhaben anzugehen.

Sie versucht sich in Gartenarbeit, Leben ohne Auto, Spaziergänge mit dem Hund. YouTube ist ihr Unterstützer bei allen Vorhaben.

Bracken ist ein Dorf im Nirgendwo mit einer Population, die wohl kaum unterschiedlicher sein könnte. Hinter ihrer Gartenmauer wohnt ein Glatzkopf, ihr Nachbar ist ihr unheimlich, dazu das homosexuelle Pärchen, die eigentlich was machen?

Die Ein- und Umgewöhnung ist gar nicht so leicht

Dora versucht in ihrem neuen Leben und dem fast unmöblierten Haus anzukommen. Warum wohnt der Nachbar, der sich ihr als Gote vorstellt, in einem Bauwagen und nicht im Haus? Welche Geheimnisse hüten die anderen Dorfbewohner? Wer schleicht bei ihr im Haus herum und stellt ihr Stühle hin? Dora wird in ihrer Bracken-Zeit viel über Menschen lernen. Sie stellt fest, dass Vorurteile und Fassade nicht immer der Kern sind. Das eben Menschen nicht immer schwarz oder weiß sind. Dass auch bekennende Glatzköpfe Gefühle und Anteilnahme haben. Und Liebeskummer.

Unweigerlich kommen sie und Gote sich nicht näher. So sehr er Dora abstößt, so sehr fühlt sie sich (rein freundschaftlich) zu ihm hingezogen. Er wird im Ort gemieden, nachdem sie die Suchmaschine bemüht, weiß sie warum. Es verstärkt ihre Abneigung.

Dann wird Dora auch noch arbeitslos.

Dann kommt Franzi und mit ihr eine Erkenntnis

Das kleine Mädchen, das ihren Hund mitnimmt, durch den Garten läuft und sich sehr zu Hause zu fühlen scheint, gehört zu Gote. Durch die Schulschließungen wohnt sie vorübergehend bei ihrem Vater.

Dora ist verwirrt, weiß nicht, wie sie das alles bewerten kann und darf. Da sind die populistischen Sprüche, das Singen des Horst-Wessel-Liedes mit seinen Freunden. Es stößt sie ab, sie will nichts mit ihm zu tun haben. Dann ist da seine Unterstützung und Hilfe, die Liebe zu seiner Tochter, der Kummer der gescheiterten Ehe. Weiß man je alles über Menschen?

Ein Unfall und seine Folgen

Als sie eines Abends nach Hause kommt, findet sie Gotes Auto im Straßengraben. Zum Glück ist nichts Schlimmeres passiert. Aber die Chirurgentochter in ihr ruft laut Alarm. Sie nimmt Kontakt zum Vater auf, der sofort kommt. Ihr ahnt es: Gote ist krank, sehr krank. Er hat niemanden, der sich kümmert- außer Dora.

Eingewiesen vom Vater versucht sie sich als größtmögliche Hilfe. Gote erzählt ihr seine Geschichte, die anders ausfällt als die der Suchmaschine. Weiß man alles über Menschen? Dora unterstützt, wo es geht, versöhnt Gote mit dem Dorf und tut, was in ihrer Macht steht.

Wie gefiel mir Über Menschen?

Es ist in einem ganz anderen Stil geschrieben und ich war und bin mir nicht sicher, ob ich mit dem Schreibstil zurecht komme. Es liest sich leicht, ich empfinde es als Erzählung. Die Ambivalenz in den Gedanken Doras finde ich spannend und habe mich während des Lesens oft gefragt, ob ich ihr in ihrer Situation so hätte folgen können. Ob ich hätte wie sie handeln können? Ich weiß es nicht.

Hier liegt noch ein weiteres Juli Zeh Buch, ich bin neugierig drauf. Es war interessant zu lesen, sich den Fragen selbst zu stellen. Es hat mich nicht gefesselt, aber es war auch kein No-Go. Ein endgültiges Urteil werde ich mir nach dem zweiten Buch bilden.

Empfehle ich euch das Buch?

Es ist für alle, die gern hinter andere Haustüren schauen, ohne das in der Realität zu tun. Für diejenigen, die sich selbst in ihrer Einstellung zu Menschen ein bisschen hinterfragen und die ein wirklich zeitaktuelles Buch lesen mögen.

Kennt ihr Juli Zeh? Interessiert euch eine solche Thematik?

Give your life a glow,

Eure Nicole

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