
Wenn Liebe fast alles überlebt, eine Trennung, einen Krieg, Vertreibung und dann plötzlich klar wird, warum sich bestimmte Verhaltensweisen in dem Leben der Kinder und Enkelkinder manifestieren.
Als ich mich dazu entschieden habe, dieses Buch zu lesen, war mir nicht klar, wie aufwühlend und bewegend ich es finden würde. Aber der Reihe nach…

Bis ans Meer: Wenn Liebe überlebt
Um es ein bisschen vorwegzunehmen: Dieses Buch berührt in einer Tiefe, die ich nicht erwartet hätte. Es erklärt, warum wir Verhaltensmuster aus unserer Kindheit übernehmen und es zeigt, dass sich pathologische Tapferkeit irgendwann ins Gegenteil verkehren kann. Dass es für Nachkommen wichtig ist, sich mit ihrer Geschichte auseinanderzusetzen, um irgendwann eine eigene Geschichte leben zu können.
Es zeigt aber auch, dass Liebe und Glaube Berge versetzen können und ich hätte der Protagonistin ein schöneres Ende gewünscht. Wie hat mir das Buch gefallen?
Bis ans Meer
Frieda und Karl leben eine besondere Liebe in besonderen Zeiten. Eine Liebe, von der sie überzeugt sind, dass sie alles überlebt.
Frieda liebt den Winter und ihren Karl. Beide sind seit ihrer Jugend zusammen und Frieda schenkt ihm alles von sich.
Die beiden leben in Brieg, in Schlesien. Anfangs wähnen sie den Krieg noch weit weg und machen es sich so schön, wie es die Umstände in diesen Zeiten zulassen.
Einen großen Wunsch haben die beiden: Sie wollen bis ans Meer. Eines Tages, wenn der ganze Schlamassel vorüber ist.

Es kommt alles anders
Frieda und Karl leben in ihrem Ort und arbeiten beide am örtlichen Flugplatz. Er glaubt fest daran, dass es ihn davor schützen wird, eingezogen zu werden. In einen Krieg, der von einer Partei verursacht wurde, mit der er nichts zu tun haben möchte.
Die beiden bekommen im Laufe des Buches zwei Kinder: Horst und Erika. Sie heiraten und leben ihre wirklich besondere Liebe, derer sie sich sehr bewusst sind.
Scheinen sich seine Wünsche, in Brieg bleiben zu können, anfangs noch zu erfüllen, macht der 2. Weltkrieg auch vor ihm und dem Sohn nicht Halt. Beide werden eingezogen.
Karl schwört seiner Frieda ewige Liebe und dass sie sich immer wiederfinden werden. Dieser Schwur soll für Frieda zum Antrieb und Lebenserhalt werden.

Dann muss auch Frieda fliehen
In einer lausig kalten Winternacht muss Frieda mit ihrer Tochter Schlesien verlassen. Nur mit dem Nötigsten am Leib und im Gepäck machen sie sich auf den Weg.
Frieda ist ihrer Tochter dabei eine wundervolle Mutter und Gefährtin. Sie treibt sie an, baut sie auf, geht jeden noch so beschwerlichen Weg mit ihr. Alles mit der großen Liebe zu Karl im Herzen und Geist.
Kommen sie zunächst bei Verwandten unter, werden sie dort bald ‚lästig‘ und ziehen weiter.
Immer begleitet von Hunger und Wohnungsnot. Frieda und Erika erfahren auf ihrer Flucht durch Deutschland auf harte Weise, dass die Besatzer jede Art von Charakter haben.
Als sie eines Tages nach Brieg zurückkehren, ist ihr Haus zunächst in russischer Hand.
Ist da auf der einen Seite der russische Offizier, der ihnen hilft und nett zu ihnen ist, ja sogar Erikas Leben rettet, gibt es da auch die Offiziere, die sich alles auf schmerzhafte Weise einverleiben.

Erneute Flucht aus Brieg
Dann erobern sich die Polen Brieg zurück und Frieda muss erneut fliehen, dieses Mal mit dem zurückgekehrten Horst. Sie gibt die Hoffnung nicht auf, dass sie ihren Karl wiedersehen wird. Es zieht die drei nach Dresden.
Dort erfährt Frieda, dass man verschollene Familienmitglieder suchen kann. Sie packt die Gelegenheit beim Schopfe.

Immer im Glauben, dass die Liebe überlebt
All diese Strapazen schafft sie für Erika, der sie zeigen möchte, dass es sich zu lieben lohnt und dass es immer Hoffnung gibt. Sie führt ein Tagebuch, wo sie ihr und Erikas Nachkommen zeigen möchte, wie Liebe gelingt.
Dann geschieht das Unfassbare..
Karl wird gefunden- überlebt die Liebe
Plötzlich bekommt sie Nachricht, dass Karl ausfindig gemacht wurde. Sie ist überglücklich und glaubt nun, dass alles gut wird. Es soll anders kommen.
Frieda versteht die Welt nicht mehr und ist am Ende so in ihrer Liebe und ihrem Optimismus gefangen, dass sie es nicht schafft, ihr eigenes Leben zu ‚drehen‘. Im Gegenteil.

Die Gegenwart
Das Buch wird von Friedas Enkelin erzählt, die sich darüber wundert, warum sie solche Bindungsängste hat. Warum ihre Mutter bei einigen Geschichten aus der Vergangenheit so mauert oder sich die Stimmung massiv verändert.
Nach und nach und nach intensiver Recherche und Gesprächen lichtet sich der Familiennebel und die Enkelin sieht vieles klarer.
Sie erkennt die gesamte Tragik in ihrer Geschichte. So traurig, aufwühlend und bewegend das für sie ist, es legt bei ihr für die eigene Zukunft einen Schalter um.
Und sie erfüllt der Großmutter einen Lebenswunsch.

Wie mir das Buch gefallen hat
Vorweg gesagt: Manche der Enden waren mir am Ende zu lose. Aber dieses Buch macht uns beim Lesen ganz viel bewusst und deutlich. Natürlich Dinge, die wir längst wissen, etwa die Sinnlosigkeit eines Krieges, der nie wirkliche Sieger hat.
Es zeigt aber auch auf, welche Kräfte Menschen bereit sind zu entwickeln, wenn sie lieben und Hoffnung sehen. Was sie zu leisten vermögen. Wenn sie glauben, dass die Liebe alles überlebt.

Die wichtigste Lehre aus diesem Buch ist für mich jedoch, dass wir uns immer unseren Gefühlen und Empfindungen stellen sollten, ihnen nachspüren.
Und egal, wie es endet, Liebe überlebt. Und was die Schneekugel auf den Fotos zu bedeuten hat, das versteht man beim Lesen des Buches ;).
Wäre das ein Buch für dich? Auch wenn das Thema eher ernst ist?
Alles Liebe,
Eure Nicole
Der Link zum Buch ist ein reiner Hinweis. Ich verdiene nichts daran und wurde nicht für diesen Beitrag bezahlt. Herzlichen Dank an den RL-Verlag und Buchcontact, dass sie mir dieses Buch zur Verfügung gestellt haben.
Liebe Nicole, das Buch wäre mir zu aufwühlend. Habe ich doch als Kind meiner Oma immer zugehört, wenn sie mit ihre Geschichte erzählt hat.Ich glaube ich weiß, weshalb sie nicht zurückkehren wollte, als ich es viel später mal angeboten habe mit ihr zu gehen. Es wäre wohl zu schmerzlich gewesen.
Ich wünsche Dir einen schönen Tag, liebe Grüße Tina
Ein bisschen aufwühlend ist es auch. Aber es ist auch berührend, emotional und erweckend in gewisser Weise.
Wahrscheinlich ist bei deiner Oma ähnliches passiert. Aber ich finde es toll, dass du diesen Weg mit ihr gegangen wärest.
Liebe Grüße
Nicole
Klingt nach einer berührenden Geschichte. Natürlich werden Lebenserfahrungen über Generationen weitergegeben. Wenn man sie kennt, kann man sie einordnen. Das Problem ist, dass man so viele nicht kennt …
Danke für den Lesetipp. Hab einen schönen Tag!
Das stimmt, es wurde einfach viel zu wenig darüber gesprochen, was damals passiert ist.
Diese Geschichte war wirklich besonders eindringlich beschrieben.
Ich wünsche dir auch einen schönen Tag
Liebe Grüße
Nicole
Liebe Nicole, Danke für den Tipp, das Buch spricht mich an. Am WE habe ich mich mit meiner Jüngsten (30) lange darüber unterhalten, wie das, was die Eltern, Großeltern erlebt haben, auch in den Kindern, Enkelkindern „steckt“. Es lohnt sich hinzuschauen, um eigene Verhaltensweisen, Glaubenssätze zu verstehen.
Herzliche Grüße, Brigitte
Magst du mal erzählen, wie du die Auswahl deiner Bücher triffst?
Liebe Brigitte,
ich gebe dir recht, dass viele unserer Muster schon in uns sind. Wir können heute nur offener und intensiver darüber sprechen. Witzig, dass du gerade zu diesem Thema mit eurer Jüngsten ein Gespräch hattest.
Deinen Wunsch über meine Bücherauswahl habe ich notiert, es wird einen Beitrag dazu geben. Danke für die nette Inspiration.
Liebe Grüße
Nicole