Wie Poesie: Offene See

Es gibt viele Bücher, die mich abholen, mitnehmen und berühren. Ich mag bildhafte Sprache, wenn ich mich im Buch ‚mitbewege‘ Offene See hat eine ganz neue Seite in mir auf geblättert.

Schon das Cover des Buches ist (sehen wir davon ab, dass es wundervoll zu meiner Meertasse passt ;)) einfach zauberhaft.

Ines hat mir das Buch, das sie von einer Leserin geschenkt bekam, weitergegeben und als ich es begonnen habe, war ich sehr neugierig. Die Handlung findet am Ende des Zweiten Weltkrieges statt, somit mutet es also zunächst etwas ernster an.

Offene See von Freiheit im Geist und Leben

Am Ende des Zweiten Weltkrieges scheint für Robert der Lebensweg bereits vorgezeichnet. Wie seine männlichen Vorfahren soll auch er im Bergbau arbeiten. Der Junge liebt die Natur, sein größter Traum ist es, ans Meer zu gelangen, um die offene See zu sehen und zu fühlen.

Er hat große Angst, sich in der Dunkelheit des Tagesbaus eingeengt zu fühlen. Und so macht er sich kurz nach Ende des Zweiten Weltkrieges auf, das Meer zu finden.

Zu Fuß ans Meer

Er läuft los und erlebt das eine oder andere Abenteuer. Eines Tages kommt er am Cottage von Dulcie vorbei, die ihn zum Tee einlädt.

Dulcie ist die ungewöhnlichste Frau, der der junge Robert je begegnet ist. Sie pfeift auf alle Konventionen, lebt allein, erlebt höchsten Genuss in Speisen und Leben, ist belesen und sehr unabhängig.

Aus einem Nachmittag werden mehrere Wochen. Dulcie hält ihn aus und lehrt ihn die schöngeistigen Dinge: Bücher, Wein, Abende mit Hummer. Sie scheint keinerlei Mangel zu hegen, obwohl alle anderen noch unter den entbehrenden Auswirkungen des Krieges zu leiden haben.

Tiefe Gespräche und er möchte sich erkenntlich zeigen

Robert taucht in eine ihm völlig unbekannte Welt ein, öffnet sich dem Genuss. In ihm keimt der Wunsch, Dulcie für ihre großzügige Gastfreundschaft etwas zurückgeben zu wollen und so macht er sich daran, ihren Garten in Ordnung zu bringen.

Dabei stößt er auf ein kleines Cottage, das eingewachsen und verwildert ist. Es verstellt den Blick aufs Meer. Als Robert beginnt, die Büsche zurückzuschneiden, reagiert Dulcie ausgesprochen barsch und möchte das verhindern.

Sie gibt ihm Bücher zu lesen und erlaubt ihm nach einiger Zeit, das Cottage renovieren und bewohnen zu dürfen. Dabei findet er Gedichte, die Dulcie gewidmet sind.

Sie möchte auch von ihnen nichts wissen. Robert versteht die Welt nicht mehr und beginnt, die Gedichte zu lesen. Zunächst heimlich, dann erzählt er Dulcie davon, denn er begreift sehr schnell, dass das etwas mit ihrem geheimnisvollen Verhalten zu tun haben muss.

Eine beidseitige Annäherung und die offene See

Robert geht ein ums andere Mal ans Meer, auch um bei den einheimischen Fischern Essen für ihn und seine Gastgeberin zu besorgen. Er ist beseelt von der Natur und der Freiheit, die er leben darf.

Die Gespräche der beiden werden inniger und Dulcie öffnet sich ihm. Was ist das Geheimnis dieser besonderen Frau? Wird Robert es lüften können?

Offene See ist kein Liebesroman im eigentlichen Sinne

Dulcie ist um einiges älter als Robert und so entwickelt sich zwischen den beiden keine Liebesgeschichte, das darf ich vorweg nehmen, ohne euch (hoffentlich) die Vorfreude auf diesen besonderen Roman zu nehmen.

Was sich zwischen den beiden Protagonisten entspinnt, ist jedoch etwas ganz besonderes.

Wie mir Offene See gefallen hat

Das Buch war für mich ein besonderes Leseglück, denn es ist von der ersten Sekunde an pure Poesie, ohne kitschig zu sein. Benjamin Myers verwendet in diesem Buch eine so sanfte und besondere Sprache, die mich von Anfang bis Ende sehr berührt hat. Müsste ich dem Buch eine Farbe zuordnen, ich würde es pastellblau nennen.

Der Mut, mit dem Robert seinen Weg geht, die Art, in der Dulcie den Jungen für die Schönheiten des Lebens und von Büchern öffnet. Dazu die besondere Beziehung der beiden, all das ist in so feiner Sprache beschrieben, dass es eine Freude ist, offene See zu lesen.

Wir haben zwar erst April und ich lese meist schöne Bücher, aber ich glaube, das wird das sprachlich schönste Buch, das ich in diesem Jahr lese. Einfach, weil es wirklich voller Poesie ist.

Habe ich dich neugierig gemacht? Wäre das ein Buch für dich?

Alles Liebe,

Eure Nicole

Dieses Buch ist Werbung aus dem Herzen und ich verdiene nichts daran.